„SpiriTRAIL“ durch Linz für 800 angehende Maturant:innen
Das Maturajahr ist für junge Menschen ein ganz besonderes: In diesem letzten Schuljahr warten nicht nur besondere schulische Herausforderungen, sondern es sind auch wichtige persönliche Entscheidungen zu treffen. Als Symbol für den Weg, der in diesem Jahr vor ihnen liegt, absolvierten Schüler:innen einen sogenannten „SpiriTRAIL“ in Linz, den die katholische und die evangelische Kirche organisierten. „Der Weg steht für das Auf und Ab, für die Höhen und Tiefen eines Schülerlebens, die in Erinnerung gerufen und zur Sprache gebracht werden können. Bei der abschließenden Segensfeier im Mariendom können die Glückserfahrungen, aber auch die Abgründe Platz finden und vor Gott hingelegt werden“, erklärt Gilbert Jaros, Fachinspektor für den katholischen Religionsunterricht an AHS, die Intention des SpiriTRAIL, der heuer zum ersten Mal in dieser Form stattfand. „Ich hoffe, dass der SpiriTRAIL für die Teilnehmer:innen ein inspirierender und heilsamer Weg ist – und ich wünsche den Schüler:innen eine Hoffnungsquelle, aus der sie auch in schwierigen Zeiten Kraft, Zuversicht und Versöhnungsbereitschaft schöpfen können“, so Jaros.
Sechs Stationen, viele Challenges
Sechs Stationen mit speziellen Challenges luden zum Austausch untereinander und zum Nachdenken ein: über Aufbrüche und Rollenbilder, über Veränderungen, Beziehungen, Herausforderungen und Ziele. Die angehenden Maturant:innen erwarteten kreative Impulse, kleine Rituale und ganz persönliche Fragen.
Am OK-Platz durften die Schüler:innen Standbilder von Interaktionen im Klassenraum nachstellen und mit dem Smartphone fotografieren. / © Diözese Linz - Johannes Kienberger
Die Stationen waren auf prägnante Orte der Linzer Innenstadt verteilt. Viele Gruppen starteten ihre Route beim Hauptbahnhof und widmeten sich dort dem Thema „Aufbrüche“. Die Challenge dieser Station bestand darin, zu zweit oder zu dritt über „Aufbrüche in die Schulwelt“ zu diskutieren. „Wer hat mich wie und mit welchen Worten in die neue Welt der Schule losgeschickt?“, „Wohin bin ich geraten?“ und „Für welche Erfahrungen bin ich dankbar?“ waren Impulsfragen, die den Schüler:innen als Diskussionsgrundlage dienten.
Bei den Stationen im Volksgarten, beim Musik- und Landestheater und auf dem OK-Platz widmeten sich die Maturant:innen dem Thema Rollen: „Welche Rolle spiele ich in der Klasse?“ und „Welche Rolle passt zu mir?“. Die Schüler:innen stellten ihre Rollen in Form von Standbildern zwischenmenschlicher Interaktionen dar, die sie mit dem Smartphone fotografierten. Die eindrücklichsten Fotos schickten die Gruppen dann über einen QR-Code in den Mariendom.
Am Martin-Luther-Platz begegneten sich viele Schüler:innen-Gruppen. / © Diözese Linz - Johannes Kienberger
Weitere Stationen des SpiriTRAIL waren beim Martin-Luther-Platz („Entwicklungen“), beim Schlossberg („Beziehungen“), auf dem Hauptplatz („Schwierigkeiten“) auf dem Domplatz („Ziele“). Eine Challenge bestand zum Beispiel darin, ein Erinnerungsstück – ein Blatt, einen Stein oder einen kleinen Zweig – zu finden, das am Ende der Segensfeier weitergeschenkt werden konnte. Auf dem Weg zum Mariendom konnten sich die Maturant:innen zudem überlegen, welche Spannungen, Missverständnisse oder negative Gefühle sie beschäftigen.
Gemeinsame Segensfeier im Mariendom
Alle Wege führten schließlich in den Mariendom. Als Abschluss und Höhepunkt des SpiriTRAILS feierten die Schüler:innen mit Bischof Manfred Scheuer und Superintendent Gerold Lehner eine Segensfeier. Musikalisch mitreißend gestaltet wurde sie von Sänger:innen und Musiker:innen des Adalbert Stifter Gymnasiums.
Segensfeier mit Bischof Manfred Scheuer und Superintendent Gerold Lehner im Mariendom. / © Diözese Linz - Margit Pschorn
Am Beginn der Feier wurde blitzlichthaft zusammengefasst und gewürdigt, was unterwegs bei den einzelnen Stationen entstanden und zur Sprache gekommen ist. Symbole verdeutlichten, was von den Schüler:innen zu den verschiedenen Themen eingebracht wurde. Belastendes, das sie unterwegs beschäftigt hatte, konnten die Schüler:innen im Mariendom „ ablegen“ und eine Kerze anzünden. Ein Text des Poetry Slammers Daniel Wiesner zur Bibelstelle „Prüft alles und behaltet das Gute“ (1 Thess 5,21), vorgetragen vom evangelischen Fachinspektor Siegfried Kröpfel, brachte das Wesentliche des Vormittags nochmals in verdichteter Form auf den Punkt.
Die Dinge prüfen, um das Gute zu finden
Bischof Manfred Scheuer lud die Jugendlichen ein, sich zu fragen: Wer bin ich wirklich im Innersten meines Inneren? Jeder Mensch sei mehr als das, was andere aus ihm machten – und auch mehr als das, was er anderen verdanke. Die Schulzeit sei durchaus eine prägende Zeit, betonte der Bischof. Er selbst habe vor 50 Jahren maturiert, manche Freundschaften aus der Schulzeit bestünden bis heute. „Welche Freundschaften nehme ich aus der Schulzeit mit, aber auch welche Interessen und Leidenschaften? Welche Sehnsucht trage ich in mir?“, gab Scheuer den Jugendlichen als Fragen mit in das letzte Schuljahr.
Bischof Manfred Scheuer sprach zu den Maturant:innen. / © Diözese Linz - Margit Pschorn
Superintendent Gerold Lehner meinte an die Schüler:innen gewandt: „Wir wollen euch ein Bibelwort des Apostels Paulus mit auf den Weg geben: Prüft alles und behaltet das Gute. Das heißt: Es gibt das Gute in diesem Leben – das, was guttut, aufbaut, stärkt, was mich auf den richtigen Weg bringt und mein Leben gut macht für andere.“ Das Gute sei aber eher leise als laut, springe nicht gleich ins Auge und sei nicht immer einfach zu erkennen, so Lehner. Und: Um das Gute zu finden, müssten die Dinge und manchmal auch die Menschen geprüft werden. „Wir glauben von uns, dass wir kritische Menschen sind. Aber können wir wirklich zwischen wahr und falsch, zwischen echt und unecht, zwischen fake und Wirklichkeit unterscheiden? Sehr oft sind wir unkritisch und tun, was andere auch tun“, gab der Superintendent zu bedenken. Lehner lud die Schüler:innen dazu ein, auch die Religion zu prüfen: „Prüft, ob etwas dran ist an diesem Gott, an den wir glauben. Daran, dass er uns in seinem Wort und in anderen Menschen nahekommt. Daran, dass er uns zur Liebe ruft und uns in Liebe begegnet. Prüfen bedeutet aber nicht, einfach nur zu sagen: ‚Das glaube ich nicht.‘ Damit stiehlt man sich aus der Verantwortung vor einer der größten Fragen der Welt. Denn wenn Gott ist, dann ist alles anders.“
Superintendent Gerold Lehner. / © Diözese Linz - Margit Pschorn
Unterwegs mit anderen und zu sich selbst
Was bleibt vom SpiriTRAIL? Interessante neue Eindrücke, ein Tag voller Begegnungen und Impulse, Erinnerungen an eine abwechslungsreiche Segensfeier und der eine oder andere Gedanke, der vielleicht bis zur Matura begleitet. Und für viele Maturant:innen wohl die Erfahrung: Manchmal führen die spannendsten Wege nicht hinaus in die Ferne, sondern mitten durch die eigene Stadt – und zu sich selbst.
© Diözese Linz - Margit Pschorn und Johannes Kienberger